
Fragen und Antworten zur Online-Veranstaltung „Wasserstoff – Energieträger der Zukunft“
Im Anschluss an die Online Veranstaltung "Wasserstoff-Energieträger der Zukunft" gab es noch einige offene Fragen. Diese hat Dr. Stefan Kaufmann nachträglich beantwortet:
1. Kann ein herkömmlicher Verbrennungsmotor mit Wasserstoff betrieben werden?
Der Wirkungsgrad eines Wasserstoffverbrennungsmotors liegt zwischen dem Otto- und Dieselmotor. Konventionelle Verbrennungsmotoren können nicht umgerüstet werden. Motorbauteile wie Gemischbildung, Brennraum, Turboaufladung, Abgasrückführung und das Verbrennungsumfeld müssen von vornherein angepasst werden.
Die Hersteller haben mit Dieselmotoren, die z.B. im Linienbusverkehr mit Wasserstoffantrieb in Betrieb sind, bereits umfassende Alltagserfahren. Ottomotoren mit Wasserstoff sind als Industriemotoren oder auch im Marine- und Schiffsverkehr bekannt. Zusammen mit Luftsauerstoff kann auch Wasserstoff emissionsfrei zu Wasser verbrannt werden. Einen flächendeckenden Einsatz von WasserstoffHubkolbenmotoren gibt es aber noch nicht.
2. Werden bei der Wasserstoff Förderung durch den Bund auch dezentrale Lösungen (Ein- und Mehrfam. Häuser) unterstützt?
Es wird auf die Beantwortung der Frage 6 verwiesen. Eine dezentrale Förderung von Ein- und Mehrfamilienhäuser gibt es nicht. Das würde voraussetzen, inwieweit Wasserstoff eine Rolle für die Energieversorgung von Häusern spielt. Das ist eine Frage der Regulierungsziele und ihrer Abstimmung durch die Marktakteure bei der Bundesnetzagentur. Die Wasserstoffförderung des Bundes fokussiert sich zurzeit auf drei große Leitprojekte mit 700 Millionen Euro. Beteiligt sind ca. 230 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft aus allen 16 Bundesländern, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek in Berlin. Die geförderten Projekte umfassen die Herstellung von Elektrolyseuren, die direkte Erzeugung von Wasserstoff auf Hoher See sowie dessen sicheren Transport.
3. Wie sieht die Öko-Bilanz bei einem Wasserstofffahrzeug gegenüber einem E-Fahrzeug aus?
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Treibhausgasemissionen der Herstellung eines Brennstoffzellenfahrzeugs unter denen eines Batteriefahrzeugs liegen. Dabei ist die Produktion der Batterie der entscheidende Faktor. Umgekehrt kann ein Batteriefahrzeug erneuerbaren Strom direkt nutzen, sodass die Umwandlungsverluste der Wasserstoffproduktion, des Transports etc. wegfallen.
Vor diesem Hintergrund kann die Frage nicht generalisiert beantwortet werden. Die Öko-Bilanz hängt von dem Einsatzzweck und dem daraus resultierenden Fahrzeugdesign ab. So werden Brennstoffzellenantriebe insbesondere dort in den Blick genommen, wo aufgrund der Anforderungen an Reichweite und Leistung die Batterie sehr groß und schwer sein würde - etwa bei Lkw.
Weiterführende Informationen:
- https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/news/2019/fraunhofer-isevergleicht-treibhausgas-emissionen-von-batterie-und-brennstoffzellenfahrzeugen.html
- https://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2019/2019-12-16-interview-stolten-wasserstoff.html
4. Wieso wird das Thema "Wasserstoff bzw. synthetisches Methan aus Abwasser" verschwiegen? Warum über Chile und Portugal nachdenken, wenn wir mit Wasserstoff-Plasma-Elektrolyse unsere verunreinigten Industriellen und kommunalen Abwasser reinigen können?
Verfahren, die Reststoffe klimafreundlich in Wasserstoff oder andere Energieträger wie Methan umwandeln, können eine wertvolle Ergänzung in einem nachhaltigen Energiesystem darstellen. Gleichwohl sind die Mengen, die mit diesen Verfahren potentiell erzeugt werden können, im Vergleich zu den zu erwartenden Bedarfen Deutschlands sehr gering. So geht die Nationale Wasserstoffstrategie davon aus, dass sich der Wasserstoffbedarf Deutschlands von aktuell 55 Terawattstunden auf bis zu 110 Terawattstunden 2030 verdoppeln wird. Prognosen von Wissenschaft und Wirtschaft nehmen für 2050 noch deutlich höhere Bedarfe an. Dabei ist zu bedenken, dass aktuell rund 70 Prozent des deutschen Gesamtenergieaufkommens durch Importe insbesondere fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas gedeckt wird. Diese Importabhängigkeit wird voraussichtlich auch in Zukunft bestehen bleiben. Der Import Grünen Wasserstoffs bietet dabei die Möglichkeit, diese Importe auf Erneuerbare Energien umzustellen und damit eine klimaneutrale, nachhaltige Industrie und Mobilität in Deutschland zu ermöglichen.
5. Angesichts der großen Widerstände, und damit verbundenen Verzögerungen, im Bereich des Ausbaus von Stromnetzen um die regenerative Energie aus dem Norden in den Süden zu leiten, stellt sich für mich die Frage, ob mit entsprechenden Problemen beim notwendigen Ausbau von Leitungsnetzen für den Transport von Wasserstoff zu rechnen ist.
Anders als beim Ausbaus des bestehenden Stromübertragungsnetzes kann ein Wasserstoffnetz zumindest zum Teil durch die Umwidmung bestehender ErdgasFernleitungen verwirklicht werden. Der Ferngasnetzbetreiber haben bereits entsprechende Konzepte vorgelegt. Hinzu kommt, dass Gas- und damit Wasserstoffleitungen in der Regel unterirdisch verlegt werden und infolgedessen z. B. das Landschaftsbild weniger stark beeinträchtigen als Hochspannungsleitungen.
Weiterführende Informationen:
6. Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann, die Technik haben und beherrschen wir. Wann wird der regulatorische Rahmen angepasst, sodass wir den regenerativ erzeugten Strom wirtschaftlich für die Produktion von grünem H2 nutzen können und damit es keine Abregelungen zur Netzstabilisierung mehr gibt?
Die Regulierung der Wasserstoffnetze wird im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) erfolgen und hat zwei Stufen. Der Regulierungsrahmen dient der Investitionssicherheit und der Netzstabilität. Zuerst wird eine Übergangsregulierung im Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet, die bis zur zweiten Stufe, der Erarbeitung eines Regulierungsrahmens, stabile Rahmenbedingungen und einen sicheren Markthochlauf ermöglicht. Es geht dabei um einen zügigen und rechtssicheren Einstieg in eine nationale Wasserstoffinfrastruktur. Für den Übergang ist die Einspeisung in das Erdgasnetz möglich.
Im europäischen Kontext wird in diesem Jahr die EU-Wasserstoffrichtlinie verabschiedet und die Vorgaben der EU-Gaslinie umzusetzen sein. Hier gelten Vorgaben für deutschen Regulierungsrechtsrahmen, der dem Rechtsrahmen für Gasleitungen entsprechen kann. Die Hochlaufphase findet in Fernleitungs- und Verteilernetzen statt. Eine Finanzierung soll nicht über Netzentgelte sondern über die Wasserstoffnetznutzer erfolgen, denn hohe Entgelte erschweren den Markthochlauf. Staatliche Zuschüsse sind vorgesehen. um ein der öffentlichen Versorgung dienendes Wasserstoffnetz aufzubauen. Der Betrieb der Wasserstoffnetze und die Wasserstoffproduktion sind zu trennen. Die Gas- und Wasserstoffnetzinfrastruktur sind zu entflechten. Das Zugangs- und Anschlussregime sowie eine Kostenregulierung sind zu erarbeiten. Die Bundesnetzagentur wird die zuständige Regulierungsbehörde die Wasserstoffnetzentwicklungsplanung in die Hand nehmen.
Die Bundesnetzagentur hat die Ergebnisse der Marktkonsultationen im zweiten Halbjahr 2020 zu einem Bericht zusammengefasst, der unter dem folgenden Link zu erreichen ist:
7. In einigen Jahren laufen sehr viele kleine und mittlere Photovoltaikanlagen aus der Förderung. Ist es mittelfristig möglich diesen Strom im privaten Bereich in Wasserstoff zu wandeln?
Nach Kenntnis des BMBF sind entsprechende Lösungen aus Elektrolyseur, Brennstoffzellen und Wasserstoffspeicher für den „Heimgebrauch" bereits verfügbar (siehe folgende, nicht-abschließende, beispielhafte Aufzählung). Mit der EEG-Novelle 2021 wurde zudem die EEG-Umlagebefreiung für den Eigenverbrauch von heimischen Solaranlagen ausgeweitet.
Weiterführende Informationen:
8. Ein Team des Frauenhofer IFF beschäftigt sich damit in Biogasanlagen neben Biogas mit Mikroorganismen auch Wasserstoff zu produzieren. Wenn man dann bedenkt, dass bei der Straßenbegleitgrünpflege pro km Straße ca. 11.000 KWh Energie aus Biomasse gewonnen werden kann, sollte man doch versuchen die Biogasanlagen mit in die Produktion von Gas bzw. LNG und Wasserstoff mit einzubinden.
Die energetische Verwertung von biogenen Rest- und Abfallstoffen ist nach der stofflichen Nutzung grundsätzlich eine sinnvolle Option. Bereits heute nimmt die Bioenergie eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Energiewende und der Erreichung der Klimaschutzziele ein. Dafür bestehen bereits Nutzungspfade etwa in Form von Biogasanlagen, zu denen die Wasserstofferzeugung potentiell als weitere Option hinzutreten kann. Mit Blick auf die begrenzte Menge sollte die verfügbare Biomasse gemäß der Nationalen Bioökonomiestrategie der Bundesregierung jedoch möglichst effizient und hochwertig genutzt werden. Das heißt insbesondere, dass die stoffliche Nutzung von Biomasse priorisiert wird. Die energetische Nutzung sollte im Idealfall nach dem Prinzip der Kaskadennutzung erst im Nachgang erfolgen. Gleichwohl betrachtet die Bundesregierung selbstverständlich auch biotechnologische Verfahren zur Erzeugung, Nutzung und Speicherung von Wasserstoff.Weiterführende Informationen:
- Nationale Bioökonomiestrategie (bmbf.de)
- www.bioökonomie.de
9. Welcher Druck soll in dem System gefahren werden? Für die Nutzung im Bereich Luftfahrt wären 100bar günstig, da dann einfacher verflüssigt werden kann.
Die technischen Parameter des Systembetriebs werden - wie jetzt auch beim Erdgasnetz - die Betreiber und Nutzer gemeinsam mit den Regulierungsbehörden festlegen. Aus der Technologienentwicklung ist bekannt, dass mit Blick auf die zu erwartenden unterschiedlichen Anforderungen etwa in Industrie, Verkehr, etc. Elektrolyseure und Transportlösungen für unterschiedliche Betriebsdrücke entwickelt werden, damit je nach Einsatzfall geeignete Optionen zur Verfügung stehen.
10. Die hohe Bindungsenthalpie von H2 in H2O ist der Schlüssel für den schlechten Wirkungsgrad der Elektrolyse, die destilliertes (sehr teures) Wasser braucht. Wieso negiert die Politik den schlechten Wirkungsgrad der klassischen Elektrolyse?
Der Wirkungsgrad der Wasserelektrolyse liegt aktuell zwischen ca. 60 und 90 Prozent. Die Effizienz der Elektrolyse weiter zu erhöhen stellt einen Fokusbereich der Forschungsförderung des BMBF dar, wobei auch systemische Lösungen etwa zur Weiternutzung anfallender Abwärme in anderen Prozessen eine wichtige Rolle spielen können.
Im Übrigen ist zu bedenken, dass im Zuge der Energiewende aus technischen Gründen nicht alle Anwendungen elektrifiziert und damit direkt mit erneuerbaren Strom versorgt werden können. Insbesondere die Industrie (Stahl, Zement, Chemie), aber auch der See-und Luftverkehr benötigten nachhaltige, d. h. insbesondere klimaneutral erzeugte, chemische Energieträger, um fossile Kraft- und Brennstoffe zu ersetzen. Grüner Wasserstoff bzw. daraus erzeugte synthetische Kraftstoffe sind mithin ein systemisch wichtiger Baustein für die nachhaltige Energieversorgung dieser Anwendungsbereiche. Darüber hinaus stellen sie eine vielversprechende Option dar, Erneuerbare Energien aus wind- und sonnenreichen Regionen zu speichern und über lange Distanzen zu transportieren (siehe Frage 2). Angesichts des global enormen Erzeugungspotentials für Erneuerbare Energien zu äußerst niedrigen Stromgestehungskosten wird der Wirkungsgrad voraussichtlich nicht zum ausschlaggebenden Faktor für den (wirtschaftlichen) Erfolg der grünen Wasserstoffwirtschaft werden. Daneben sind unter anderem Aspekte wie Versorgungssicherheit, Anbieterstruktur oder Investitionskosten zu berücksichtigen.
11. Bringt die Wasserstoffproduktion bzw. der Transport Risiken mit sich?
Wasserstoff hat den Nachteil, dass er nicht sichtbar ist, auch wenn er brennt. Brennstoffzellenfahrzeuge mit Wasserstofftanks haben heute 700-bar-Drucktanks. Das ist erheblich mehr als die Tanks von Erdgasfahrzeugen mit 200 bar. Die Tanks haben mehrlagige Wände aus verschiedenen Materialien, so dass selbst die kleinen Wasserstoffatome nicht durch die Tankwände diffundieren können. Die Verluste durch entweichenden Wasserstoff sind daher inzwischen marginal. Verluste fallen hingegen weiterhin beim Komprimieren an. Die meisten Quellen beziffern sie mit gut 12 Prozent. Wasserstofffahrzeuge haben damit einen Wirkungsgrad von 29 bis 32 Prozent. Damit ist das Brennstoffzellenauto nur geringfügig besser als Benziner (22 Prozent) oder Diesel (25 Prozent).
Der Transport- und die Betankung mit Wasserstoff ist heute sehr sicher. Die Industrie stellt seit 2009 sichere und bewährte Wasserstofftanks bereit, sog. Liquid Organic Hydrogen Carrier, kurz LOHC. Seit 2019 gibt es erste hochseetaugliche WasserstoffTanker, in der Binnenschifffahrt gibt es erste Schiffe mit Wasserstoffantrieb, die langfristig den Diesel ablösen werden. Marinediesel sind heute schon mit Wasserstoffantrieb verfügbar.
12. Ein Lkw im Fernverkehr legt mind. 100000 km im Jahr zurück. Wie sollen da noch die Entsorgungsfahrzeuge vom BAWN versorgt werden? Bei 2 Stück Fernverkehrs Lkw bleibt nichts mehr über?
In Deutschland gibt es zurzeit 87 Wasserstofftankstellen. Bis zu einem flächendeckenden Betrieb von LKWs mit Wassersoff muss die Nutzfahrzeugindustrie Fahrzeuge mit befriedigender Reichweite zur Verfügung stellen. Die Tankstelleninfrastruktur ist ebenso auszubauen wie die Ladekapazitäten zu erhöhen.
Man kann auch in Gewerbegebieten oder in der Nähe von Busterminals Wasserstoff-Hubs errichten und damit eine schnelle flächendeckende Lösung überbrücken.
Die Antragstellung bei der BAG wird noch im Januar beginnen. Anträge sind an das BAG ausschließlich auf elektronischem Wege über die Portalseite https://antraggbbmvi.bund.de/ (eService-Portal) zu richten. Die Anträge können bis zum 15.04.2021 beim BAG gestellt werden.
Der Umfang der rechtsverbindlich abzugebenden Erklärungen ergibt sich aus der Richtlinie, die am 08.01.2021 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde.
13. Bezüglich der Wirtschaftlichkeit halte ich den Bau einer Klein-WEA für nicht zweckmäßig. Nur, weil man hier nicht das BImSchG-Verfahren vermeidet, sollte man doch überlegen, lieber eine große WEA zu errichten. Denn der Windenergieerlass muss auch bei Klein-WEA eingehalten werden. Haben Sie die Investitionskosten mal verglichen?
In der EEG-Reform-Novelle im 2. Quartal 2021 werden die Ausschreibungsvolumina zu Onshore-Windkraft neu ausgerichtet. Damit kann sich auch das Investitionsverhältnis von kleinen und großen WEA ändern.