Gespräch mit der Diakonie im Haus am Suletal in Sulingen
Pressemitteilung der Dachstiftung Diakonie
Über die ständig steigenden stationären Pflegekosten für Bewohnerinnen und Bewohner und andere Themen der Pflege sprechen Bewohner:innen und Mitarbeitende der Dachstiftung Diakonie mit drei Bundestagsabgeordneten. Dies geschieht bewusst im Vorfeld der Parlamentsentscheidungen zu den geplanten großen Kürzungen im Bundeshaushalt. Bewohner:innen und Führungskräfte der Dachstiftung Diakonie machen deutlich, dass ein Heimplatz schon jetzt zu viele Kosten für die Betroffenen mit sich bringen. Zum Auftakt der Gespräche traf man sich mit Axel Knoerig CDU, Wahlkreis Diepholz – Nienburg I, im Haus am Suletal in Sulingen.
Bewohner:innen und Mitarbeitende zeigten auf, dass die Pflegekassen mit einer Fülle von Aufgaben belastet werden, die dort nicht hingehören. 5,5 Milliarden Euro bezahlten sie in der Pandemie, die dem Bundeshaushalt zuzuordnen gewesen wären. Pflegekassen und Bewohnerinnen und Bewohner werden durch Ausbildungskosten belastet, die in anderen Branchen durch den Staat gewährleistet werden; das sieht auch Knoerig so. Viele Auszubildende fänden keine bezahlbare Wohnung, berichtete Marcel Graf, Regionalbeauftragter in der Region Leine-Mittelweser der Dachstiftung. Knoerig würde gerne den sozialen Wohnungsbau durch längere Zinsbindung und Tilgungszuschüsse angekurbelt sehen.
Die Kosten der Behandlungspflege müssen in der stationären Versorgung von der Krankenversicherung übernommen werden wie im ambulanten Bereich auch, so eine weitere Forderung. Die Länder müssen, wie im Gesetz angelegt, die Investitionskosten für die Pflegeheime übernehmen, was Knoerig auch so sieht: Für Sozialhilfeempfänger zahlt das Land beispielsweise 15,85 Euro – nicht auskömmliche – monatliche Investitionskosten pro Platz und Tag, für Selbstzahler:innen in Niedersachsen steigen die Investitionskosten für den gleichen Platz immer weiter auf jetzt 24 Euro im Haus am Suletal in Sulingen. Sie müssen dies durch die die Weigerung von Land und Kommune, Investitionskosten auskömmlich zu refinanzieren, ausgleichen.
Auch weigern sich Land und Kommunen, eine Indexierung der Pachten wie in anderen Branchen üblich anzuerkennen, um zumindest eine zeitgemäße Instandhaltung und Renovierung der Gebäude sicherzustellen: Nur 10 Prozent aller Pflegeheime ist jünger als 10 Jahre, bundesweit sind im Schnitt rund 52 Prozent aller Pflegeheime älter als 21 Jahre. Die Dachstiftung Diakonie investiert in den Jahren 2020 bis 2030 rund 75 Millionen Euro in die Erneuerung ihrer Pflegeheime.
Die Kostensteigerungen gegenüber den Vorjahren sind für viele Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr finanzierbar. Beispielweise ist im Haus am Suletal der Eigenanteil in der stationären Pflege im Pflegegrad 3 im Jahr 2022 von 2.748 Euro auf jetzt 3.358 Euro im Monat gestiegen, nach Abzug der Leistungszuschläge somit 412 Euro im Monat mehr; das summiert sich auf fast 5.000 Euro im Jahr zusätzlich für den Einzelnen. Knoerig schwebt eine Pflege-Vollversicherung vor. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung müssten notfalls Betriebsrenten verpflichtend gemacht werden oder alternativ eine besser gemachte neue Riesterrente aufgesetzt werden.
Elke Wagner berichtete Knoerig von ihrem Ehemann, Pflegegrad vier. Als Selbstzahlerin muss sie die monatlichen Rechnungen über 5500 Euro vorstrecken und es dauert etliche Wochen, bis erst die Krankenkasse und dann später die Beihilfe rückerstatten. Auch müsse sie immer mehr Dinge digital regeln, wie beispielweise Arztbesuchstermine, was ihr schwer falle. Axel Knoerig möchte hier auch eine Übergangsregelung: „Das muss Teil der Leistung sein“, so der Abgeordnete.
Viele können sich das auf Dauer nicht leisten: Demzufolge steigt der Anteil der Sozialhilfeempfänger:innen in allen Einrichtungen der stationären Pflege – im Haus am Suletal in den letzten Jahren von 20 Prozent auf heute 30 Prozent - und das ist schon künstlich gemindert durch die Leistungszuschläge seit 2022. Hier bedarf es einer grundlegenden Reform der Pflegeversicherung, die durch einen höheren steuerfinanzierten Anteil diese Kosten bedarfsgerecht solidarisch verteilt, wie es die Diakonie Deutschland schon lange fordert. Graf betonte, dass bei der Diakonie kein Unterschied zwischen Sozialhilfeempfängern und Selbstzahlern gemacht werde.
Der Niedersächsische Evangelische Verband für Altenhilfe und Pflege schreibt: „Der gesellschaftliche Wille, Pflegekräfte besser zu bezahlen und durch eine Mehrpersonalisierung eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erzielen, wurde zwar beschlossen - die Rechnung aber nicht bezahlt. So landen alle zusätzlichen Kosten dieser Maßnahmen bei den Menschen mit Pflegebedarf.“ Das darf so nicht bleiben, so die Forderung an die Politik.
Weitere Gespräche sind geplant mit Ingrid Pahlmann CDU, Wahlkreis Gifhorn-Peine, im Christinenstift in Gifhorn und mit Adis Ahmetovic SPD, Wahlkreis Stadt Hannover I, im Freytaghaus in Hannover.
Bild oben: Bundestagsabgeordneter Axel Knoerig, Elke Wagner als betroffene Angehörige, Regionalbeauftragter Marcel Graf und Einrichtungsleiter Roland Arndt (v.l.)
Foto: Gunnar Schulz-Achelis